25. Januar 2024
Irland: Schlösser und Burgen – schaurig (und) schön
Irland beheimatet Tausende Burgen und Schlösser: Von Ruinen bis zu repräsentativ – aber immer voll aufregender Geschichte(n).
Sie existieren auf der Insel Irland in allen erdenklichen Größen, Altersklassen, Erhaltungszuständen und quasi in und an jeder Ecke: Rund 3.000 (ehemalige) Festungen kommen zwischen Belfast und Bantry, Ballycastle und Ballina zusammen – ein rekordverdächtiger Schnitt angesichts einer Inselfläche von 84.421 Quadratkilometern. Sicher, ein Gutteil dieser Anlagen kommt klein und/oder ruinös daher, doch das sorgt ja meist für die attraktivsten Fotomotive. Die Überreste des Minard Castle etwa mögen überschaubar sein, punkten aber mit einer grandiosen Lage direkt an einem herrlichen Sandstrand auf der Dingle-Halbinsel. Oder die Ruinen des an der Spitze der nordirischen Antrim-Küste befindlichen, weitläufigen Dunluce Castle. Sie thronen auf einem dunklen Basaltfelsen über dem Meer – filmreif. Konsequent, dass sie als Drehort in der Erfolgsserie Game of Thrones® fungieren. In Abenteuerbücher geschafft hat es Carrickkildavnet Castle auf Achill Island, handelte es sich doch um die Festung von Grainne O’Malley’s, Irlands Piratenkönigin, die unter dem Namen Grace O’Malley Weltruhm erlangte. Und so geht es munter weiter. Wer alle Burgen und Schlösser der Insel aufsuchen will, braucht viel Zeit. Sehr viel Zeit.
Wer die nicht hat, sollte sich auf die Highlights konzentrieren. Dazu gehören unbestritten das prachtvolle, viertürmige Kilkenny Castle mitsamt seinen Kunstausstellungen, die einzigartige Klosterruine Clonmacnoise direkt am Shannon sowie das mehr als 800 Jahre alte Johnstown Castle bei Wexford. Nach umfassender Renovierung ist das neugotische Schmuckstück aus Türmen und Türmchen seit 2019 wieder zugänglich, die großzügigen Gartenanlagen und das preisgekrönte Landwirtschaftsmuseum sind es schon länger. Ebenfalls den Rang einer Ikone genießt das in der Nähe von Shannon Town befindliche normannische Vorzeige-Schloss Bunratty Castle. Der Rock of Cashel, seines Zeichens nationales Wahrzeichen, trägt gar den Beinamen „The high king of Irish monuments“. Wie es zu solcher Ehre kommt? Zum einen aufgrund des stattlichen Äußeren, wobei der idealtypische Rundturm durch die exponierte Lage 65 Meter über der Stadt Cashel noch besser zur Geltung kommt. Zum anderen wegen der vielen Geschichten! Die ranken sich um Clans, Erzbischöfe sowie die im 4. Jahrhundert hier regierenden Könige von Munster – und den Teufel. Der soll, so erzählt man sich seit Generationen, wutentbrannt einen Teil aus einem anderen Berg herausgebissen und an jene Stelle im Herzen der Grafschaft Tipperary gespuckt haben. Eine sagenhaft-fantasievolle Erklärung für den Burghügel, der sich aus der Ebene erhebt.
Apropos Sagen. Davon existieren in Irland rund um die vielen Festungen einige. Etwa die vom magischen Stein des Blarney Castle in der Grafschaft Cork. Seit mehr als fünf Jahrhunderten heißt es, dass ein Schmatzer auf den Blarney Stone die Gabe der Redegewandtheit („Gift of the Gab“) verleihe. Angeblich sei man danach nie mehr sprachlos. Andererseits kann einem vor Ort genau das schon mal kurzfristig passieren, angesichts der zahlreichen Geheimgänge, Giftgärten und atemberaubenden Ausblicke. Für Entgeisterung sorgen mitunter auch manch schaurige Burg- und Schloss-Mythen, die von Hexen, weißen Ladys und anderen zwielichtigen Gestalten wie den fiesen Druidengeistern im Huntington Castle handeln. Das macht eigentlich einen sehr freundlichen, dank seiner stattlichen Sammlung imposanter Artefakte und tadellos gepflegter Gärten gar luxuriösen Eindruck.
Und noch eine Legende! Die rankt sich um Ross Castle, malerisch in einer Bucht des Lough Leane bei Killarney gelegen. Angeblich schlummert ein Clanoberhaupt der O‘Donoghues, dem der Bau der Burg im 15. Jahrhundert zugeschrieben wird, noch immer auf dem Grund des Sees. Alle sieben Jahre jedoch steige er angeblich am ersten Maimorgen auf sein prächtiges weißes Pferd. Wer es schafft, einen Blick auf ihn zu erhaschen, so heißt es, würde für den Rest seines Lebens Glück haben.
Ebenfalls alle sieben Jahre steht das Dublin Castle im Fokus. Und zwar im politischen. Hier, mitten in der Altstadt der Hauptstadt der Republik Irland, wird der neue Staatspräsident der Republik Irland in sein Amt eingeführt. Die Repräsentationsräume, The State Apartments, aus den Jahren 1680–1830 kommen aber auch bei anderen offiziellen Anlässen wie etwa Treffen des Europäischen Rates zum Einsatz. Um Prestige ging es im Übrigen auch im Muckross House, unweit der Stadtgrenze von Killarney und doch schon voll im Grünen gelegen. Auf das 1843 im Tudor-Stil erbaute Schloss wurde nämlich rasch Queen Victoria aufmerksam. Damit die Königin und ihre 100-köpfige Entourage sich dort wohlfühlten, musste aber erstmal sechs Jahre umgebaut und dekoriert werden. Heutzutage beherbergt das Herrenhaus das Kerry Folklife Centre, das sich weniger dem Leben am Hofe als der Landbevölkerung im 19. Jahrhundert widmet.
Der besondere Tipp: Beyond the pale
Der häufig gebrauchte Ausdruck „beyond the pale“ bedeutet auf Deutsch „als völlig inakzeptabel gelten“ und hat seinen Ursprung in dem als „Pale“ bezeichneten Einflussbereich rund um Dublin. Kurz: Alle, die jenseits davon hausten, galten als unzivilisiert, also inakzeptabel. Eine mächtige Festung an dessen Grenze stellte die Normannenburg Trim Castle im malerischen Boyne Valley dar. Die aus dem Blockbuster „Braveheart“ bekannte Burg hat ihren Ursprung im 12. Jahrhundert und gilt als größte anglonormannische Burg in Irland. Mehr noch: Die einst drei Hektar große Anlage wird gar als das ursprünglich größte Kastell ganz Europas angesehen. Im Zentrum der Ruine steht immer noch der Keep, ein Wohn- und Wehrturm mit kreuzförmigem Grundriss. Auch die mehr als 700 Jahre alte Brücke, die neben der Burg über den Fluss Boyne führt, ist einen Blick wert. Und noch ein Tipp: Am Besucherzentrum startet ein Themenpfad, der durch die mittelalterlichen Gassen des Ortes Trim, zur Burg und zu weiteren historischen Sehenswürdigkeiten wie der Ruine der Cathedral of St Peter and Paul führt. Anders gesagt: Hierbei handelt es sich um einen überaus akzeptablen Ausflug.
Hintergrund: Übernachten in der Burg
Bis Mitglieder der Brauereifamilie Guinness Ashford Castle Mitte des 19. Jahrhunderts erstanden und die Gartenanlagen und Wälder mit exotischen Pflanzen versahen, hatte die anglonormannische Burg in der Grafschaft Mayo schon sechs Jahrhunderte hinter sich. Ein ganz neues Kapitel, das bis heute Bestand hat, schlug 1939 dann Noel Huggard auf, der das Schloss als exklusives Fünf-Sterne-Hotel etablierte. Und wow, wer stieg hier nicht schon alles ab? König George V., John Lennon, Oscar Wilde, Brad Pitt und und und. Was liquide Gäste auch heutzutage schätzen: die Kombination aus höchstem Komfort, zeitgemäßen Annehmlichkeiten sowie der geschichtsträchtigen Kulisse am zweitgrößten See des Landes, dem Lough Corrib. Deutlich günstiger schläft es sich im Ballynahinch Castle. Das gemütliche Hotel im edlen Landhausstil liegt inmitten der rauen Landschaft Connemaras und inmitten eines 180 Hektar großen Anwesens. Ob es hier immer so friedlich zuging? Kaum, hausten dort einst doch einige der berüchtigsten Gestalten der irischen Geschichte, darunter der grausame Ferocious O’Flaherty Clan. Nicht um Angriff, sondern um Verteidigung ging es bei den Martello Towers. Diese ikonischen Bauwerke wurden im frühen 19. Jahrhundert entlang der Küsten errichtet, um sich vor einer möglichen Invasion durch Napoleons Truppen zu schützen. Offenbar reichte die Existenz zur Abschreckung, keine einzige Kanonenkugel musste abgefeuert werden. Manche Wehrtürme existieren indessen noch heute. Einer, der in Sutton unweit von Dublin gelegen, fungiert sogar als ganz besondere Ferienwohnung.
Beitragsbild: Johnstown Castle Estate, Museum and Gardens. Foto: Tourism Ireland | Wexford
Buchtipp
Ein passendes Buch für den Irland-Trip abseits der touristischen Hot-Spots (nicht nur) in der Nebensaison hat Cornelia Lohs mit ihrem Werk "Irland – 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade" verfasst, das im Juli 2023 neu erschienen ist.
Klar, wer zum ersten Mal nach Irland reist, möchte touristische Highlights wie Trinity College, Guinness Storehouse, Ring of Kerry, Cliffs of Moher, Rock of Cashel und das Titanic Museum in Belfast nicht verpassen. Aber wie wäre es bei einem zweiten oder dritten Besuch mal mit der einsamen, aber nicht weniger spektakulären Panoramaküstenstraße Ring of Beara statt des vielbefahrenen Ring of Kerry? Oder den Steilklippen von Dún Aonghasa auf Inishmore im Westen anstelle der gut besuchten Cliffs of Moher? Und wie wäre es mit einem Pint Guinness im ältesten Pub der Insel in den Midlands statt im überfüllten Dubliner Temple-Bar-Viertel?
Irland hat abseits der Touristenmagnete jede Menge zu bieten. Burgen mit dunklen Geschichten, Schlösser, in denen es spuken soll, Moorlandschaften in den Midlands, kleine, teils unbewohnte Inseln vor der Küste, Museen wie das National Famine Museum in Strokestown, das der Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts gewidmet ist oder das Freilichtmuseum Glencolmcille Folk Village, das eine Zeitreise ins alte Irland ermöglicht. Ob Geschichte, Kultur oder Natur – garantiert gibt es den einen oder anderen Ort abseits der ausgetretenen Pfade, den Sie auch als Irland-Fan noch nicht kennen.
Über die Autorin: Cornelia Lohs verdankt ihre Liebe zu Irland ihrem amerikanischen Mann mit irischen Wurzeln. Dank unzähliger Reisen durch das Land kennt sie die grüne Atlantikinsel mittlerweile fast so gut wie ihre Heimat. Die vielreisende Heidelberger Journalistin und Autorin verfasst Reiseführer und -bücher, fotografiert und schreibt Reportagen und Features für Print- und Onlinemedien.
Bibliografische Angaben:
- Autorin: Cornelia Lohs
- Taschenbuch: 256 Seiten
- Verlag: 360° medien, 1. Auflage (Juli 2023)
- ISBN: 978-3-96855-327-6
- Preis: 16,95 € Bestellung (innerhalb Deutschlands versandkostenfrei): https://360grad-medienshop.de/Irland oder im Buchhandel.