08. Dezember 2023
Deutschland und Neuseeland: Partner für das 21. Jahrhundert
Ein Gastbeitrag der Botschaft von Neuseeland in Berlin
Es gibt nur wenige Länder, die geografisch so weit weg sind und uns gleichzeitig politisch so nah stehen“, stellte Außenministerin Annalena Baerbock fest, bevor sie im August nach Neuseeland aufbrach. Sie wird sich bestätigt gefühlt haben, als sie dort wegen eines technischen Defekts erst gar nicht ankam, dann aber im September doch noch ihre damalige Amtskollegin Nanaia Mahuta in New York treffen konnte. In einer gemeinsamen Erklärung würdigten sie den 70. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, die heute so eng und vielfältig – und angesichts der Herausforderungen auch so wichtig – wie nie zuvor sind. Zeit für eine Bestandsaufnahme und einen Blick nach vorn!
Politik
Im Oktober hat Neuseeland gewählt, und wer genau hinsieht, dem wird das Wahlsystem bekannt vorkommen, das sich Neuseeland vor einiger Zeit tatsächlich von Deutschland abgeschaut hat. Diese Gemeinsamkeit schadet im politischen Austausch sicher nicht, jedenfalls sind beide Länder gefestigte Demokratien mit geteilten Werten.
Bedingt auch durch die Corona-Pandemie liegen die letzten hochrangigen bilateralen Besuche schon eine Weile zurück, aber das soll 2024 endlich nachgeholt werden. Umso intensiver ist inzwischen insbesondere der Austausch zwischen den beiden Außenministerien, die im September zu hochrangigen Konsultationen zusammenkamen.
Auch die Parlamentsbeziehungen haben wieder Fahrt aufgenommen, mit Abgeordneten-Besuchen in beide Richtungen. Seit 2021 nimmt Neuseeland zudem am International Parliamentary Scholarship-Programm teil, das Neuseeländern ein Praktikum im Bundestag ermöglicht.
So erinnert sich Luca Dehmer, der derzeit an der neuseeländischen Botschaft in Berlin arbeitet, gern zurück: „Das Stipendium zeigt die Weltoffenheit Deutschlands und steht für die wachsenden Beziehungen zwischen Neuseeland und Deutschland.“
Der Angriffskrieg Russlands und die geopolitischen Herausforderungen im Indo-Pazifik lassen Deutschland und Neuseeland nochmals enger zusammenstehen. Während Neuseeland sich für die territoriale Integrität der Ukraine einsetzt engagiert sich Deutschland verstärkt im Pazifik, auch durch die Eröffnung einer Botschaft in Fidschi.
Wirtschaft und Tourismus
Deutschland ist Neuseelands wichtigster Handelspartner in der EU, und jede Zeit bringt neue wirtschaftliche Herausforderungen und Chancen mit sich. Das wurde während der Corona-Pandemie deutlich, als Neuseeland zwar einerseits seine Grenzen für Touristen schloss, andererseits aber die Impfstoffe von BioNTech in Mainz und Beatmungstechnologie von Fisher & Paykel Healthcare in Auckland zu lebenswichtigen Handelsgütern wurden.
Mit der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und Neuseeland im vergangenen Sommer wird nun das nächste Kapitel aufgeschlagen. Nach der erwarteten Ratifizierung könnte es 2024 in Kraft treten und „erhebliche neue wirtschaftliche Möglichkeiten“ eröffnen und „eine noch engere Zusammenarbeit zwischen unseren beiden gleichgesinnten Ländern fördern“, wie Jim Bibby, Chef von STIHL Neuseeland und Präsident der Außenhandelskammer (AHK/GNZCC) in Neuseeland prophezeit.
Gemeinsam fördern die AHK und die Vertretung von New Zealand Trade and Enterprise (NZTE) in Berlin Handel und Investitionen in beide Richtungen. Immer wieder werden auch spannende Partnerschaften zwischen deutschen und neuseeländischen Unternehmen bekannt. So wollen MAN Energy Solutions und Neuseelands größte Molkereigenossenschaft Fonterra mittels riesiger Wärmepumpen zur Dampferzeugung die CO2-Emissionen in der Herstellung von Milchprodukten reduzieren. Und die Flughäfen in Hamburg und Christchurch werden ihre Klimaschutzziele künftig gemeinsam verfolgen.
Über Neuseeland als Reiseland wird in 360° DownUnder ja regelmäßig berichtet, und zu Recht. Seit der vor bereits 50 Jahren vereinbarten Visa-Freiheit sind deutsche Touristen und später dann auch junge Leute im Rahmen des ‚Work & Travel‘-Programms immer zahlreicher nach Neuseeland gekommen. Auf der Reisemesse ITB in Berlin vom 5. bis 7. März 2024 wird sich Neuseeland wieder als herausragendes Reiseziel präsentieren.
Forschung und Innovation
Keine Partnerschaft für das 21. Jahrhundert ohne eine enge Forschungskooperation! Diese besteht tatsächlich schon mindestens seit dem Abschluss eines bilateralen Abkommens in den 1970er Jahren, aber tatsächlich wird inzwischen auf ganz neuen Feldern zusammengearbeitet, etwa zu grünem Wasserstoff und in der Raumfahrt.
„Durch Wissensaustausch und bilaterale Kooperationsprojekte haben wir die Chance, weltweit Vorreiter für einen nachhaltigen Wachstums- und Innovationspfad in der Raumfahrt zu werden und können gegenseitig von unseren Stärken profitieren“, freute sich die Raumfahrtkoordinatorin der Bundesregierung Anna Christmann anlässlich einer in 2022 vereinbarten Zusammenarbeit. Für die Wasserstoffkooperation gibt es in Otago gar ein eigens etabliertes German-NZ Green Hydrogen Centre. Zuletzt kündigte das neuseeländische Forschungsministerium an, mit Deutschland auch in der Entwicklung von Quantentechnologien zusammenarbeiten zu wollen.
Gleichzeitig bleibt Neuseeland ein besonderer Partner in der Meeres- und Polarforschung, der Atmosphären- und Klimaforschung, in der Laseroptik und Geophysik. So haben erst vor einigen Wochen die beiden Landwirtschaftsministerien vereinbart, bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft enger zusammenzuarbeiten. Einen ganz neuen Schub wird die Forschungszusammenarbeit durch Neuseelands Beitritt zum Forschungsprogramm der EU ‚Horizon Europe‘ erhalten.
Bildung, Sport und Kultur
Mit einem Schulbesuch in Neuseeland fing es an. Heute ist der Deutsche Anton Segner Profi-Rugby-Spieler und eines der bekanntesten jungen Gesichter, welche die vielen persönlichen Verbindungen zwischen beiden Ländern repräsentieren. „Ich will einfach nur anderen Kindern zeigen, dass man, wenn man ein Ziel hat, egal wo man herkommt, alles erreichen kann“, sagte er vor einigen Wochen in einem Interview. Nach der Corona-Pandemie ist Neuseeland für deutsche Schülerinnen und Schüler wieder attraktiv, und die jeweiligen Universitäten ziehen in beide Richtungen junge Leute an.
Im Sport gab es in diesem Jahr einige ganz besondere Gelegenheiten für den bilateralen Austausch. Neuseeland hätte gern die deutsche Fußball-Frauennationalmannschaft willkommen geheißen, doch die wurde bei der Weltmeisterschaft in eine Gruppe in Australien gelost. Stattdessen konnte Deutschland mehrfach ein hervorragender Gastgeber für neuseeländische Teams sein, zunächst mit den Special Olympics in Berlin und zuletzt im September bei den Invictus Games in Düsseldorf.
All diese Kontakte und Kooperationen setzen nicht zuletzt interkulturelles Verständnis und kulturelles Interesse voraus. Die kulturelle Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren weiter intensiviert, insbesondere auch bei der Rückgabe von menschlichen Überresten aus deutschen Sammlungen an die Nachfahren in Aotearoa. „Wir freuen uns darüber, dass wir mit unseren Kollegen in Deutschland zusammenarbeiten können, um die sichere Heimkehr der Ahnen zu ihren iwi/imi zu ermöglichen. Repatriierung bietet einen Weg zur Versöhnung.“ Das sagte Te Herekiekie Haerehuka Herewini von Neuseelands Nationalmuseum Te Papa in Richtung der sieben deutschen Institutionen, die allein 2023 mit Neuseeland entsprechend kooperiert haben.
So ist die Überwindung von Unrecht in der Vergangenheit auch ein wichtiger Schritt für die Zukunft der bilateralen Beziehungen, die trotz ihrer wechselvollen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert heute enger und vielfältiger sind als je zuvor. Die geografische Entfernung lässt sich nicht ändern, aber Freunde kann man trotzdem werden!
Beitragsbild: Botschafter Craig Hawke zusammen mit der Maori-Gruppe Ngati Ranana beim Sommerfest in der Residenz des Botschafters im Juni. Foto: Botschaft von Neuseeland