09. Februar 2021
Pandemie-Trend: Im Retro-Wohnwagen durch Australien
Die geschlossenen Grenzen während der Pandemie zwingen die Australier, ihr eigenes Land zu erkunden. Dies hat einen Trend für Retro-Wohnwägen und alte Kombis angestoßen, die viele im Lockdown renoviert haben. Davon könnten künftig auch ausländische Urlauber profitieren.
Australien ist ein Traumziel für viele Europäer, doch die Australier selbst zieht es im Urlaub häufig nach Asien, Europa oder Nordamerika. Covid-19 hat der Reiselust der „Aussies“ jedoch einen Riegel vorgeschoben. Die Grenzen des Landes sind seit Ende März geschlossen, womöglich noch bis 2022.
„Jetzt, wo niemand mehr nach Japan zum Skifahren fliegen kann, erkunden alle das eigene Land“, berichtete Joe Hurley. Der Geologe, der im Bergbaubereich tätig ist, gesteht ein, dass auch er früher eher ins Ausland gereist ist, anstatt die Great Ocean Road entlangzufahren, den Uluru zu umwandern oder den tropischen Norden des Landes zu erkunden. „Und einmal um Australien herumzufahren, das schien bisher Rentnern und Rucksackreisenden vorbehalten zu sein“, sagte er.
Unterwegs im eigenen Heim
Die Pandemie hat dieses eingefleischte Denken jedoch aufgebrochen. Da die Entfernungen Down Under groß sind und es vor allem bei Fahrten übers Land einfacher ist, sein eigenes kleines Heim dabei zu haben, stürzen sich viele plötzlich auf alte Wohnwägen und Kombis.
„Ich war schon während meiner Flitterwochen im Wohnwagen durch ganz Europa gereist“, erzählte Hurley. „Das gab mir die Idee.“ Während des Covid-Lockdowns in Australien im vergangenen Jahr kaufte er mehrere alte Kombis und fing an, sie zu renovieren und mit modernem Komfort auszustatten, um sie an Urlauber zu vermieten. „Zwei sind fertig, an einem dritten arbeite ich gerade“, sagte er. Das Einkommen der ersten beiden zahlt inzwischen für die Renovierung des dritten.
Ein wenig Nostalgie schwingt mit
Laut einer Sprecherin der Webseite Camplify, die ein ähnliches Konzept wie Airbnb verfolgt, aber anstatt Unterkünfte, private Wohnwägen, Wohnmobile und Kombis vermittelt, hat die Pandemie einen Trend zu Wohnwagenferien in Australien ausgelöst. In den vergangenen Monaten erwiesen sich dabei vor allem ältere, renovierte Wohnwägen und Kombis als besonders beliebt.
Obwohl diese mit 60 bis 130 Euro die Nacht nicht ganz billig sind, ist es wohl die Nostalgie, die die Leute anzieht. „Ich finde es schön, einen Teil Geschichte zu restaurieren und zu bewahren“, sagte Joe Hurley beispielsweise. Auch die Mieter seiner Autos würden das Gefühl eines älteren Motors auf der Straße toll finden. „Neue Autos fühlen sich oft mehr wie Computer an, während die Autos aus den 1980ern praktisch unzerstörbar sind.“ Jonathan Griffiths – ein weiterer Kombi-Vermieter – bestätigte ebenfalls, dass der Andrang auf Retro-Kombis und Wohnwägen im vergangenen Jahr geradezu explodiert ist. Er glaubt, dass viele die alten Wägen „wegen ihres persönlichen Touch“ bevorzugen. Griffiths fährt mit seinem Kombi auch selbst in Urlaub und in den vergangenen Monaten ist ihm das Auto dabei so ans Herz gewachsen, dass er ihm sogar einen Namen gegeben und es „Willow“ getauft hat.
Das Land „auf natürlichere Weise“ entdecken
Eine ähnlich starke emotionale Verbindung hat auch Elysha Ferris zu ihrer „Rosie“ aufgebaut. Über drei Jahren haben Ferris und ihr Mann den alten Viscount-Wohnwagen aus den 1970ern aufgemöbelt. „Sie war in recht schlechtem Zustand, als wir sie kauften“, sagte die Australierin. Ferris und ihr Mann renovierten die Küche, erneuerten Wände, bauten Stockbetten und eine kleine Sitzecke, die sich ebenfalls in ein Bett umwandeln lässt. „Wir wollten an einem Ort Urlaub machen, an dem wir uns wohl fühlten“, sagte Ferris.
Heute ist „Rosie“ ein „Selbstversorger“ – mit eigenen Solarzellen, einem Batteriesystem und einem Heißwasserboiler. Wenn der Wohnwagen nicht vermietet ist, fährt die Familie selbst mit ihm von Sydney aus die Küste rauf und runter. „Als Selbstversorger können wir den Wohnwagen einfach in der Natur parken und die Kinder können frei herumlaufen“, sagte Ferris. Auf diese Art und Weise würde sie ihrer Familie das Land auf deutlich „natürlichere Art und Weise“ zeigen, als wenn sie in Hotels übernachten würden, meinte Ferris. Und „irgendwie cool“ sei es natürlich auch.
Barbara Barkhausen. Photo Credit Beitragsbild: Jean Ventured Campers