29. September 2021
Baden-Württemberg: Soul Food und Slow Food
Es gibt Gerichte, die verbinden wir automatisch mit Heimat und Kindheitserinnerungen. Soul Food und Slow Food liegen dabei oft nah beieinander. Denn für gute Produkte braucht es vor allem zwei Zutaten: Liebe und Zeit. Viele Erzeugerinnen und Produzenten im Süden haben ihre Uhren bereits umgestellt und lassen mit Geduld und einem Herz für die eigene Region besondere Spezialitäten entstehen, die dem hektischen Alltag genussvolle Entschleunigung entgegensetzen. Egal ob auf dem Hof, in der Manufaktur oder im nachhaltig ausgerichteten Restaurant: Ruhe und Entspannung gehen hier durch den Magen.
Rohmilchkäse aus Urproduktion: Schafskäserei Langenburg
Norbert Fischers Demeter-Hof liegt zwischen Wiesen und Feldern im hohenlohischen Langenburg. Was Anfang der 1980er Jahre mit zwei Schafen und einem kleinen Selbstversorgerhof begann, ist heute zu einem stattlichen Betrieb mit großer Scheune, einer Käserei, einem Hofladen und Wohnhaus herangewachsen. Alles aus Holz und Glas, mit bunten Blumenwiesen auf den Dächern und viel Liebe in jedem Winkel. Mehr als 250 Schafe leben dort mit Schäfer Fischer. Aus ihrer Milch stellt er in Handarbeit feinen Schafmilchkäse her. Von würzigem Pecorino über zartschmelzendem Camembert bis zum kräftigen Blauschimmelkäse „Roque blue“. Komplettiert wird das Angebot durch Bio-Eis und -Fleisch, Schaffelle und ein eigenes Bilderbuch zum Hof: www.schafkaese.com.
Duftige Prickelbrause: Blütenzauber Manufaktur Bächlingen
Die Jagst ist einer der größten Nebenflüsse des Neckars. Ihr Weg führt von der Ostalb über die Hohenloher und Haller Ebene bis ins Heilbronner Land. Unterwegs passiert sie auch die kleine Ortschaft Bächlingen. Dort lebt Bernulf Schlauch, Slow Food-Regionalkoordinator von Hohenlohe und Erfinder des Blütensekts. Aus Holunder-, Akazien-, Rosenblüten und Mädesüß stellt er in einem aufwendigen Verfahren Schaumweine her – ganz bewusst langsam. „Die Sekte brauchen eben ihre Zeit, bis sie ihren Geschmack entfaltet haben“, erzählt Schlauch. Slow Food, das bedeutet für ihn nicht nur, sich Zeit zu lassen mit den Produkten, sondern auch: sich Zeit zu nehmen für Gäste und gutes Essen. www.holunderzauber.de
Mit Laib und Liebe: Eselsmühle Musberg
Acht Esel, Kaufladen, Mühlenstube, Gartenwirtschaft und eine Holzofenbäckerei, in der Demeter-Brot gebacken wird. Klingt nach guter alter Zeit und richtig gutem Brot, ist in der Eselsmühle aber zum Glück hochaktuell. Die Geschichte der Mühle begann schon vor über 600 Jahren, als die hiesigen Müller die umliegenden Dörfer mit Lebensmitteln versorgten. 1937 wanderte sie in den Besitz der Familie Gmelin, die sich bis heute mit viel Herz für ihren Erhalt einsetzt und auf dem weitläufigen Areal einen echten Wohlfühlort geschaffen hat, an dem Alltagsstress keinen Platz findet. Sämtliche der hier angebotenen Produkte sind Bio-zertifiziert und kommen größtenteils aus der Region. Einem Genusserlebnis ohne Reue inmitten der Natur steht also nichts im Wege: www.eselsmuehle.com.
Pionier des Bio-Fine-Dining: „1950“ Hayingen
Mitten im Biosphärengebiet Schwäbische Alb liegt das weltweit erste „Demeter & Bioland Fine-Dining-Restaurant“. Das „1950“ erweitert das gastronomische Angebot der Familie Tress und würdigt das Erbe von Großvater Johannes, der im namensgebenden Jahr den Grundstein für die bis heute verfolgte, nachhaltige Unternehmensphilosophie legte. Der Clou: Zu jedem Gang des hier servierten vegetarischen „CO2-Menüs“ bekommt der Gast umfassende Infos zu den Zutaten. Vom CO2-Ausstoß bis zu den Kilometern, die sie vom Erzeuger bis ins Restaurant zurückgelegt haben. Damit in der Küche keine Abfälle entstehen, arbeiten Simon Tress und sein Team strikt nach den Prinzipien „Leaf-to-Root“ und „Nose-to-Tail“. www.tress-gastronomie.de
Vom Feld frisch auf den Tisch: Feld-Wirtschaft Bermaringen
Die „Feld-Wirtschaft“ macht ihrem Namen alle Ehre. In dem „Restaurant der kurzen Wege“ kann man den Zutaten für die täglich frisch zubereiteten Gerichte beim Wachsen auf dem Acker zuschauen und dabei immer Neues entdecken und erschmecken. Denn die Speisekarte folgt dem Rhythmus der Natur und ändert sich damit regelmäßig. Die Gartenarbeiten übernimmt der Gärtner und „Herr der Küche“ Wilhelm Schmid persönlich. Auf dem farbenprächtigen Feld vor dem Restaurant gedeihen alte und vergessene Sorten neben Gemüse-Klassikern, heimischen und exotischen Kräutern und Blumen. Bei ihrer Verarbeitung wird auf künstliche Zusätze verzichtet und bei Fisch und Fleisch auf Bio-Qualität gesetzt: www.feld-wirtschaft.de.
Ganzheitliche Wildpflege: Schussentaler Wildmanufaktur Fronreute
„Es waren einmal drei Jäger…“ – was klingt wie der Anfang eines Märchens der Brüder Grimm, ist in Wirklichkeit der Beginn der Erfolgsgeschichte der Schussentaler Wildmanufaktur in Fronreute bei Ravensburg. Ihre Mission: Die Oberschwaben vom Wild zu überzeugen. Denn obwohl Wild nachhaltig und weitgehend frei von schädlichen Einflüssen im natürlichen Lebensraum aufwächst und neben bester Fleischqualität auch eine positive Ökobilanz aufweist, haben viele Vorbehalte gegenüber Geschmack und Zubereitung. Mit der Vermarktung heimischen Wilds aus eigener Jagd im Ganzen und küchenfertig als Braten oder Gulasch, Rostbratwurst und Leberkäse, leisten die Jäger der Wildmanufaktur ihren Teil zur Imagepflege: www.schussentaler-wildmanufaktur.de.
Kupfer küsst Kirsch: Faller Konfitüren Utzenfeld
Ob Badische Schwarzkirsche, Waldheidelbeere oder Bühler Zwetschge: Schon seit der Unternehmensgründung im Jahr 1913 werden die Fallerschen Konfitüren nach alter Tradition in kleinen Mengen im offenen Kupferkessel gekocht und von Hand gerührt, um den natürlichen Eigengeschmack der verwendeten Früchte bestmöglich zu erhalten. Zur Qualität der Aufstriche tragen auch die kurzen Lieferwege bei. Noch heute bezieht Faller große Mengen an Früchten und Beeren aus dem benachbarten Kaiserstuhl und dem Markgräflerland. Zu den Landwirtinnen und -wirten pflegt der familiengeführte Slow Food-Betrieb oft langjährige Beziehungen. Probiert werden kann im Konfitürencafé „Therese“. Oder man bestellt sich die süßen Verführungen im Glas einfach via Onlineshop auf den eigenen Frühstückstisch:
shop.fallerkonfitueren.de
Slow Brewing im Tannengrün: Badische Staatsbrauerei Rothaus Grafenhausen
Wie man den Schwarzwald in die Flasche bekommt, zeigt die Badische Staatsbrauerei Rothaus. Benötigt werden Ruhe, Sorgfalt und Zeit. Außerdem stammen alle Rohstoffe aus dem Umland: Das Brauwasser sprudelt aus eigenen Quellen im angrenzenden Wald, für das Braumalz wird heimische Sommergerste verwendet, der Aromahopfen kommt aus Tettnang und der Hallertau und die Hefe entsteht in eigener Reinzucht. Das Gütesiegel „Slow Brewing“ bestätigt die herausragende Qualität und den runden, ausgereiften Geschmack der Rothaus-Biere. Letzterer ist aber gewiss auch dem besonderen Standort der Brauerei geschuldet: Sie liegt auf rund 1.000 Höhenmetern zwischen Schwarzwaldtannen und Fichten. www.rothaus.de
Genießen wie bei Oma: Café Goldene Krone St. Märgen
Die „Goldene Krone“ hieß in ihrer jahrhundertelangen Geschichte schon viele Gäste willkommen. Ab 1753 als Pilgerherberge, später als Grandhotel. Berühmtheiten von Heidegger bis Adenauer stiegen hier ab. Mit der Stilllegung des Hotels im Jahr 1990 kehrte Ruhe ein. Den drohenden Abriss verhinderte eine Bürgerinitiative, die sich gute zehn Jahre später zur Rettung des historisch bedeutsamen Gebäudes und Wiederbelebung der Dorfmitte bildete. Mit Erfolg: Heute ist die „Goldene Krone“ wieder ein beliebter Treffpunkt. In dem „Landfrauen-Café“ mit kleinem Laden wird soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit gelebt. Anstelle gelernter Profis stehen hier über 20 engagierte Frauen aus der Region an Theke, Herd und Ofen und verleihen den regionalen Köstlichkeiten mit ihren eigenen Rezepten die besondere Würze: www.cafe-goldene-krone.de
Beitragsbild: Marmelade aus dem Kupferkessel von Faller Konfitüren. Photo Credit: Konfitürenmanufaktur Alfred Faller GmbH