Dresden: Friedrichstadt – zwischen Barock und blutiger Neuzeit

24. August 2021

Dresden: Friedrichstadt – zwischen Barock und blutiger Neuzeit

Sie wird von den Dresdnern und den Touristen gleichermaßen übersehen: Die grüne, historisch und architektonisch enorm vielseitige Friedrichstadt, die direkt an die Altstadt angrenzt, ist für viele einfach der Stadtteil mit dem Krankenhaus. Da fährt man nur hin, wenn es sein muss.

Seit 1730 gibt es die Friedrichstadt – den Namen erhielt sie vom damaligen Kronprinzen Friedrich August, dem Sohn des Starken. Aber schon 500 Jahre vorher hatte auf der Halbinsel in der Elbbiegung ein Dorf gestanden; der altsorbische Name Oztrov („Elbinsel“) steckt heute noch im Ostragehege, dem riesigen Sportkomplex am Rand des Viertels. Fußballfelder, eine Eisschnelllaufbahn und drei Mehrzwecksporthallen prägen das Gebiet, das sich am Elbufer bis zur Dresdner Messe zieht. Hierher zieht es an Wochenenden viele Dresdner, die das stadtnahe Grün nutzen, um zu joggen, zu skaten, Bälle zu kicken – und mit dem Heißluftballon in die Lüfte zu steigen.

Wenn die Abendluft genug Auftrieb bietet, stürzen sich sogar Lenkdrachenflieger vom Trümmerberg am westlichen Ende der Friedrichstraße. Der Gipfel des Schuttbergs, der aus den Ruinen des Zweiten Weltkriegs aufgetürmt wurde, bietet einen traumhaften Blick auf das Gelände des Alten Schlachthofs, die Dresdner Mühle und den Alberthafen, Dresdens größten Elbhafen.

Jahrhundertelang diente die weite Auenlandschaft als Vorwerk für die Versorgung des kurfürstlichen Hofes und der Dresdner Festung. Hier standen Obsthaine und lagen Getreidefelder, in flachen Teichen wurden Fische gezüchtet. Die Grafen und Herzöge jagten hier Hirsche und fanden es so romantisch, dass sie einige herrschaftliche Anwesen errichteten.

Eingangsportal zum Städtischen Krankenhaus. Photo Credit: Jörg Blobelt, CC BY-SA 4.0
Eingangsportal zum Städtischen Krankenhaus. Photo Credit: Jörg Blobelt, CC BY-SA 4.0

Eines der schönsten und letzten erhaltenen ist das Palais Brühl-Marcolini an der Friedrichstraße, wo zwischenzeitlich sogar Napoleon wohnte. Sie stehen auf an der Friedrichstraße und können kein Palais entdecken? Schauen Sie noch einmal hin: Das Städtische Krankenhaus Friedrichstadt ist ins Palais eingezogen – und wurde so zum wahrscheinlich schönsten Krankenhaus von ganz Deutschland. Es gibt sicherlich keine andere Klinik für Psychiatrie mit einer so herrschaftlichen barocken Brunnenanlage vor dem Fenster.

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Wo heute Reise-, Hochzeits- und Babymessen stattfinden, floss seit Anfang des 20. Jahrhunderts das Blut in Strömen – im Städtischen Schlachthof, errichtet vom Stadtbaumeister Hans Erlwein, damals modernster und größter Schlachthof Europas. Das heute etwas steril wirkende Messegelände ist ein echter Jugendstil-Architekturschatz. An das Schicksal der unzähligen Tiere, diezwischen 1910 und 1995 zu Wurst wurden, erinnert der kleine Stierbrunnen auf dem Messevorplatz. Na dann, guten Appetit!

Mehr dazu und 54 weitere Dresdner HeimatMomente lest Ihr in dem Buch Dresden - HeimatMomente: 55 Mikroabenteuer zum Entdecken und Genießen unserer Autorin Jenny Menzel: https://360grad-medienshop.de/hm-dresden

Über das Buch:

55 Mikroabenteuer in und um Dresden auszuwählen, fällt schwer – denn es gibt so viel zu sehen! Im Stadtzentrum liegen sagenhafte Schätze gleich neben köstlichen Erinnerungen an Dresdens glorreiche Zeiten als Schokoladenhauptstadt Europas, eine falsche Moschee bildet die Kulisse des größten deutschen Freiluftkinos und am idyllischen Elbufer radelt man an Schlossruinen, Schlachthöfen und tutenden Schaufelraddampfern vorbei, bis man (s)ein Blaues Wunder erlebt.

Vielleicht noch schöner als Dresden selbst ist sein Umland. Hinter dem Rand des Talkessels, in dem die sächsische Landeshauptstadt liegt, warten herrliche Landschaften: von den Weinbergen am Elbhang in Radebeul und Meißen über die Himmelsaugen der Moritzburger Teichlandschaft bis zu den Tafelbergen der Sächsischen Schweiz und der jahrhundertealten Bergbaulandschaft des Erzgebirges. Ob Kultur-Kurztrip oder Outdoor-Vergnügen: Von Dresden ist beides nur einen Katzensprung entfernt und immer eng verwoben.

Über die Autorin: Jenny Menzel ist Redakteurin, Reisebloggerin und Reiseführer-Autorin. Sie lebt seit ihrer Geburt in Dresden, hat hier studiert und eine Familie gegründet. Ihre Reiselust machte sie unverhofft zur Expertin für Neuseeland-Reisen mit Kindern, aber ihrer Heimatstadt blieb die dreifache Mutter dabei immer eng verbunden. In der grünen Kulturstadt und drumherum geht Jenny Menzel mit ihren Lieben immer wieder gern auf Tour, auf der Suche nach ungewöhnlichen Geschichten, Orten und Erlebnissen – und davon gibt es hier reichlich.

Text: Jenny Menzel. Beitragsbild: Der alte Schlachthof ist heute die Messe. Photo Credit: Jörg Blobelt, CC BY-SA 4.0