Hamburg: Komm in die Gänge!

16. April 2021

Hamburg: Komm in die Gänge!

Einst galt das weitreichende Gängeviertel als eine Art Slums der Stadt. Heute ist nur noch wenig davon übrig – doch für dessen Erhalt kämpften viele Künstler und verwandelten die Gassen in ein Kunstobjekt und  Sozialprojekt mit Galerien, Ausstellungsräumen und Veranstaltungen.

Viel mehr als Gänge waren es wirklich nicht, die Gassen, die sich ab dem 16. Jahrhundert zunächst an der Kirche St. Jacobi bildeten, später auch dort, wo heute die Speicherstadt steht, und rund um den Michel. Mit der Industrialisierung und Flucht vom Land in die Städte ab Ende des 18. Jahrhunderts wurde Hamburg noch voller, Wohnraum knapp und Mieten höher. Folglich mussten die Menschen immer näher zusammenrücken – der Bau in den „Gängevierteln“ boomte. Teils sollen fünf Personen auf 20 oder 25 Quadratmetern gehaust haben, und es waren natürlich nicht wohlhabende Hamburger, sondern einfache Arbeiter, die in den garantiert nicht TÜV-geprüften Gebäuden ohne vernünftige Kanalisation unterkamen.

Kirche und Staat verloren dort die Kontrolle, Prostitution und Alkoholismus gehörten zum Alltag. Da verwundert es nicht, dass die Cholera in Hamburg 1892 ihren Ursprung ausgerechnet im Gängeviertel hatte! Daraufhin wurde es ab Beginn des 20. Jahrhunderts allmählich abgerissen – übrig geblieben ist nur, was man heute noch rund um den Valentinskamp unweit des Gänsemarktes findet.

Und selbst das war vor gar nicht so langer Zeit, nämlich 2009, vom Aus bedroht! Allerdings setzten sich gut 200 Künstler für den Erhalt des historischen Viertels ein und machten es gleichzeitig für jeden zugänglich. Fast würde man sie heute übersehen, die schmalen Zugänge zu den letzten Überbleibseln des Gängeviertels, teils durch Hofeingänge, die sich gegenüber von topmodernen und gläsernen Wohn- oder Bürohochhäusern befinden.

Alternatives Wohnen à la Gängeviertel
Alternatives Wohnen à la Gängeviertel

Folgt man jedoch dem zunehmenden Graffiti an Hauswänden und den runden roten Schildern mit weißer Aufschrift „Komm in die Gänge“, ist man auf dem richtigen Weg. Die Initiative hinter diesem Motto sowie die Genossenschaft Gängeviertel 2010 eG vertreten nämlich das Viertel gegenüber der Stadt Hamburg. Mehrere historische Gebäude wurden wieder bewohnbar gemacht, darunter das hübsche Kupferdiebhaus, das Jupi-Haus und die Fabrique, die als kulturelles Herz des Viertels gilt.

Spaziert man in das düstere Gebäude hinein, riecht es nach Rauch und an den Wänden gibt es keinen einzigen unbemalten Fleck. Jedes Stockwerk hält neue Überraschungen bereit, sei es ein Fotostudio, eine Probebühne oder ein syrisches Restaurant und Café – und manchmal finden dort auch Ausstellungen, Konzerte oder sogar Partys statt.

Mehr dazu und 49 weitere Hamburger HeimatMomente lest Ihr in dem Buch Hamburg- HeimatMomente: 45 Mikroabenteuer zum Entdecken und Genießen unserer Autorin Bernadette Olderdissen: https://360grad-medienshop.de/hm-Hamburg

Über das Buch:

Hamburg – die nordische Hansestadt ist so viel mehr als Elbphilharmonie, Hafen und Reeperbahn. Die Metropole, reich an Wasser und Grün, bietet nämlich eine Fülle an verborgenen Spots der Kultur, Geschichte, Gastronomie oder Natur, die selbst manchem Hamburger noch unbekannt sind. Seien es nun besondere Museen oder Gedenkstätten, Restaurants oder Cafés, Unterkünfte oder lohnenswerte Ausflugsziele – HeimatMomente Hamburg soll ein wenig dessen vermitteln, was die City über die bekannten Sehenswürdigkeiten hinaus lebens- und liebenswert macht. Dabei stellt jeder der 50 Tipps eine abgeschlossene Einheit dar, die man gut an einem halben oder einem Tag besuchen und erleben oder wo man vorzüglich schlemmen oder übernachten kann.

Das Buch hält sicher auch für den Hamburg-Kenner noch manchen Tipp bereit und soll Besuchern von außerhalb helfen, sich ein eigenes Hamburg-Bild zu machen, das genau das ausmacht, was viele Hamburger bereits wissen oder zumindest ahnen: dass Hamburg als Mikrokosmos die ideale Stadt ist für immer neue Mikroabenteuer. Denn wo sonst liegen das weltliche Flair eines Hafens, eine von Deutschlands größten Partymeilen, hippe Szeneviertel und nahezu unberührte Natur mit Mooren, Wäldern und Seen so nah beieinander?

Über die Autorin: Bernadette Olderdissen, gebürtige Rheinländerin, ist eine Geschichtensammlerin mit Leidenschaft fürs Schreiben, Reisen und das Meer. Nach Jahren im Ausland verschlug es sie 2016 in ihre deutsche Lieblingsstadt Hamburg, die ihr persönliches Tor zur Welt wurde: Dort erfüllte sie sich ihren großen Traum und machte sich als Reisejournalistin und Autorin selbstständig. Ihre Reportagen über teils abenteuerliche Reisen nah und fern, mit Fokus auf Naturerlebnisse und Menschen, erscheinen bei verschiedenen Medien, außerdem verfasst sie Bücher rund ums Reisen, darunter eine Globetrotter-Krimi-Serie.

Text und Fotos: Bernadette Olderdissen