12. Juli 2021
Hamburg: Spaziergang mit Weit- und Rückblick in Blankenese
In Hamburgs westlichstem Stadtteil an der Elbe sind es nicht nur die Villen und vielen Treppen, für die das Viertel bekannt ist, die beeindrucken. Es sind auch ein paar zunächst unscheinbare Steine, die Spaziergänger zum Staunen bringen: der Bismarckstein und das Denkmal der Schwedenspeisung.
Fast jeder, der den Namen Bismarckstein hört, erwartet ein Denkmal für den ersten Reichskanzler des Deutschen Reiches. Dabei hat der mysteriöse Stein in Blankenese eigentlich gar nichts mit Bismarck zu tun! Vielmehr symbolisiert er ein Naturerlebnis und den idealen Spot für Romantiker: Er befindet sich nämlich in einem kleinen Park auf dem Waseberg, dem mit 88,4 Metern immerhin dritthöchsten Berg Hamburgs. Vom Blankeneser Strandweg oder mit dem Bus geht es zum Park hinauf, kenntlich gemacht durch eine schon etwas verwitterte Felsmarkierung.
Die für Hamburger Verhältnisse beachtliche Steigung von zehn Prozent auf 70 Höhenmeter dient mittlerweile sogar bei Radrennen als Herausforderung für die Teilnehmer! Dann steht man oben, auf einem winzigen Plateau mit Rasenfläche, Bänken und einer Tafel. Doch was hat es mit dem Bismarckstein auf sich? Im Jahr 1890 entschloss sich der Kaufmann Anton Julius Richter, Mitbegründer der Holstenbrauerei und leidenschaftlicher Bismarckverehrer, das Gelände auf dem Waseberg zu erwerben und dort ein imposantes Bismarckdenkmal zu erbauen. Dazu kam es jedoch nie. An seiner Stelle kaufte 1910 die Gemeinde Blankenese das gesamte Waldstück und verwandelte es zum ersten öffentlichen Gemeindepark mit einem Highlight: dem noch heute beliebten Aussichts- und Fotopunkt.
Der 1863 errichtete Aussichtsturm aus Ziegelsteinen wurde zwar von der Natur zurückerobert, aber der Blick reicht auch ohne Turm weit über die Elbe mit der Insel Neßsand mit Schweinesand und bei gutem Wetter bis ins Alte Land. Da könnte man glatt vergessen, auch noch einen Blick auf das Ehrendenkmal von 1935 zum Gedenken an Marinegefallene aus dem Ersten Weltkrieg zu werfen: „Was auch die See verschlang, die Zeit verschlang das Weh, ewig bleibt die See“, besagt das Zitat von Hans Leib.
Läuft man vom Bismarckstein zurück ans traumhaft schöne Blankeneser Elbufer und weiter in Richtung City, erwartet den Spaziergänger etwa in Höhe des Jollenhafens Mühlenberg eine weitere Überraschung: In einem Parkstreifen thront ein mannshoher Stein, der aus der Ferne aussieht wie ein Grabstein. In der Tat handelt es sich laut Inschrift um einen Gedenkstein: „Dank dem schwedischen Volk für Brot in der Not, 1946 – 1950, Blankeneser Bürgerverein“, darunter dasselbe in schwedischer Übersetzung. Recherchen zu dieser unverhofften Erinnerung an die Nachkriegszeit ergeben, dass der Stein 1966 aufgestellt wurde. Er gedenkt der sogenannten Schwedenspeisung durch das Schwedische Rote Kreuz unter Führung von Graf Bernadotte, wovon in den Nachkriegswintern schätzungsweise 40.000 bedürftige Hamburger Kleinkinder zwischen drei und sechs Jahren profitierten. Sie erhielten täglich Suppe, Brot und ab 1947 auch Lebertran sowie wenn nötig warme Kleidung oder Schuhe. Diese selbstlose Hilfe durch das im Krieg neutrale Schweden war zunächst kostenlos, erst später von einem geringen Entgelt abhängig.
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Über das Buch:
Hamburg – die nordische Hansestadt ist so viel mehr als Elbphilharmonie, Hafen und Reeperbahn. Die Metropole, reich an Wasser und Grün, bietet nämlich eine Fülle an verborgenen Spots der Kultur, Geschichte, Gastronomie oder Natur, die selbst manchem Hamburger noch unbekannt sind. Seien es nun besondere Museen oder Gedenkstätten, Restaurants oder Cafés, Unterkünfte oder lohnenswerte Ausflugsziele – HeimatMomente Hamburg soll ein wenig dessen vermitteln, was die City über die bekannten Sehenswürdigkeiten hinaus lebens- und liebenswert macht. Dabei stellt jeder der 50 Tipps eine abgeschlossene Einheit dar, die man gut an einem halben oder einem Tag besuchen und erleben oder wo man vorzüglich schlemmen oder übernachten kann.
Das Buch hält sicher auch für den Hamburg-Kenner noch manchen Tipp bereit und soll Besuchern von außerhalb helfen, sich ein eigenes Hamburg-Bild zu machen, das genau das ausmacht, was viele Hamburger bereits wissen oder zumindest ahnen: dass Hamburg als Mikrokosmos die ideale Stadt ist für immer neue Mikroabenteuer. Denn wo sonst liegen das weltliche Flair eines Hafens, eine von Deutschlands größten Partymeilen, hippe Szeneviertel und nahezu unberührte Natur mit Mooren, Wäldern und Seen so nah beieinander?
Über die Autorin: Bernadette Olderdissen, gebürtige Rheinländerin, ist eine Geschichtensammlerin mit Leidenschaft fürs Schreiben, Reisen und das Meer. Nach Jahren im Ausland verschlug es sie 2016 in ihre deutsche Lieblingsstadt Hamburg, die ihr persönliches Tor zur Welt wurde: Dort erfüllte sie sich ihren großen Traum und machte sich als Reisejournalistin und Autorin selbstständig. Ihre Reportagen über teils abenteuerliche Reisen nah und fern, mit Fokus auf Naturerlebnisse und Menschen, erscheinen bei verschiedenen Medien, außerdem verfasst sie Bücher rund ums Reisen, darunter eine Globetrotter-Krimi-Serie.
Text und Fotos: Bernadette Olderdissen