Mosbach im Odenwald: Fachwerk so weit das Auge reicht

20. August 2021

Mosbach im Odenwald: Fachwerk so weit das Auge reicht

Warum nennt man die Mosbacher Kiwwelschisser? Was hat es mit der Sage vom Lumpenglöckle auf sich? Das erfährt man beim Stadtrundgang zwischen einigen der schönsten und einem der kleinsten Fachwerkhäuser des Landes.
Fachwerk-Ensemble in Mosbach. Photo Credit: Cornelia Lohs
Fachwerk-Ensemble in Mosbach. Photo Credit: Cornelia Lohs

Fachwerk so weit das Auge reicht! Man kann sich kaum satt sehen! Mit seinen prächtigen alten Bauten gehört der Mosbacher Marktplatz zweifellos zu den schönsten im süddeutschen Raum. Hingucker ist das Palmsche Haus, ein gigantischer dreigeschossiger Bau aus dem Jahr 1610 mit variantenreichem und auffallend dekorativem Fachwerk sowie steinernen Neidköpfen und anderen Figuren am Konsolstein des Eckerkers. Erbaut wurde das Haus für den Burgvogt Johann Schradmüller, seinen Namen erhielt es von einem späteren Besitzer, dem Kaufmann Anton Palm.

Photo Credit: Tilmann 2007, CC BY-SA 4.0
Photo Credit: Tilmann 2007, CC BY-SA 4.0

Dem Prachtbau gegenüber steht das Rathaus, das zwischen 1554 und 1558 auf den Fundamenten der früheren Cäcilienkirche errichtet wurde. Die alte Kirchenglocke aus dem Jahr 1458 blieb erhalten und wurde als Rathausglocke weiterverwendet.

„Lumpenglöckle“ nennen die Mosbacher die Glocke. Lumpenglocken hießen in früheren Jahrhunderten die Glocken, deren Geläut abends das Schließen der Stadttore oder die Sperrstunde verkündeten. Vor allem Zecher, die „Lumpen“, wurden mit dem Glockenschlag aufgefordert, die Wirtshäuser zu verlassen und nach Hause zu gehen.

Das Lumpenglöckle läutet noch heute jeden Abend um 22.45 Uhr. Allerdings längst nicht mehr, um die Sperrstunde einzuläuten, sondern aufgrund einer Sage. Nach dieser führte das Geläut der Glocke die verirrte Mosbacher Pfalzgräfin Johanna zu später Stunde auf den rechten Weg. Während eines Jagdausflugs hatte sie sich im Wald verlaufen.

Schuld daran war ihr Hund, der einen Hirsch witterte und diesem hinterherrannte, woraufhin Johanna dem Hund folgte. Ihr Jagdtross blieb indes zurück. Der Hund riss den Hirsch, es verging geraume Zeit und die Gräfin konnte sich nicht mehr orientieren. Weder fand sie ihren Tross, noch fand der Tross sie.

Ihr Gemahl, Pfalzgraf Otto I. hatte die zündende Idee: Er ließ das Lumpenglöckle ununterbrochen läuten, um seiner Frau durch das Geläut den Weg zurück zu weisen. Um Punkt 22:45 Uhr erreichten Johanna und der Hund die Tore der Stadt. Zur Erinnerung daran schlägt seit diesem Tag das Lumpenglöckle täglich um diese Uhrzeit. So die Legende. Tatsächlich starb Johanna bereits 1444 – die besagte Glocke wurde erst vierzehn Jahre später gegossen. 

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Über das Buch:

Liegt der Ursprung des Frankenstein-Monsters tatsächlich auf einer Burg im Odenwald? In welcher winzigen Höhle hauste einst ein Eremit? Wer macht so guten Whiskey wie die Iren und die Schotten und sahnt damit einen internationalen Preis nach dem anderen ab? „Halt die Klappe!“ – woher kommt diese Redewendung? Welche Auswirkungen hatte es, als im 14. Jahrhundert ein Priester versehentlich einen geweihten Kelch umstieß? Was, Heppenheim war schon mehrmals internationale Filmkulisse? Und Hollywoodstar Cary Grant drehte tatsächlich mal im Odenwälder Neckartal? Was hat es mit dem über 400 Jahre alten Galgen auf sich, der unter Denkmalschutz steht? In welcher Grube findet man unzählige Fossilien?

Der Odenwald steckt voller Überraschungen! Begeben Sie sich hinein in die Mikroabenteuer und entdecken Sie die Überreste einer römischen Villa, mystische Burgen, eine Basilika aus der Karolingerzeit, einzigartige Museen, lernen Sie den Odenwälder Mozart kennen und begeben Sie sich auf die Spuren eines der bekanntesten deutschen Architekten der Nachkriegsmoderne.

Über die Autorin: Cornelia Lohs ist quasi vor den Toren des Odenwalds aufgewachsen. Die Heidelberger Journalistin, die seit vielen Jahren an über hundert Tagen im Jahr in der Welt unterwegs ist, entdeckte erst während der eingeschränkten Reisemöglichkeiten 2020 die Ausflugsziele ihrer Kindheit wieder neu. Die vielreisende Autorin verfasst Reiseführer und -bücher, fotografiert und schreibt Reportagen und Features in den Bereichen Reise und Geschichte für diverse Medien in den deutschsprachigen Ländern.

Text: Cornelia Lohs. Beitragsbild: Marktplatz und Hauptstraße von Südosten, Photo Credit: Tilman2007, CC BY-SA 4.0