03. September 2021
Wildes Deutschland: Auf den Spuren der „German Big Five“
Als die „Big Five“, die „Großen Fünf“, werden bis heute afrikanische Tiere bezeichnet, die früher am schwierigsten zu jagen waren. Dazu gehören der Elefant, das Nashorn, der Kaffernbüffel, der Löwe und der Leopard. Nun sind es vor allem Safari-Touristen, die mit Handy und Kamera „Jagd“ auf die schönsten Bilder dieser Tierarten machen. Was viele nicht wissen: Die sogenannten „Big Five“ gibt es nicht nur in Afrika, sondern laut der Umweltschutz-Organisation WWF auch in Deutschland. Welche deutschen Wildtiere darunter zu finden sind und wo man gute Chancen auf eine gelungene Foto-Safari hat, verrät uns das Kurzreise-Portal kurz-mal-weg.de.
Das größte Raubtier Deutschlands: Die Kegelrobbe auf Helgoland
Auf Deutschlands einziger Hochseeinsel Helgoland in der Nordsee kann das größte Raubtier Deutschlands aus nächster Nähe beobachtet werden. Mit über zwei Metern Länge und einem Körpergewicht von bis zu 300 Kilogramm bewegt sich die Kegelrobbe an Land eher schwerfällig, denn ihre Stärke lebt sie unter Wasser aus. Bis zu 30 Kilometer pro Stunde und bis zu 300 Meter Tiefe erreicht sie in ihrem Element, wobei die Robbe rund 30 Minuten unter Wasser bleiben kann. Die bevorzugte Nahrungsquelle besteht aus Fisch, wie Hering und Dorsch, sowie Krebsen und anderen Weichtieren.
Im Schnitt benötigt die Kegelrobbe, die ihren Namen aufgrund ihrer charakteristischen kegelförmigen Schnauze hat, rund vier bis acht Kilogramm Nahrung pro Tag und kann in freier Wildbahn bis zu 25 Jahre alt werden. Auf der Düne, die einzige Nebeninsel Helgolands, sind die Robben in Deutschland beheimatet. Spektakulär wird es zur Winterzeit, denn zwischen November und Januar kommen die Kegelrobbenbabys auf die Welt – 2020/21 war das Rekordjahr mit 652 Geburten.
Besucher haben die Möglichkeit, mit der Dünenfähre auf die Insel zu gelangen, um die besonderen Tiere, die die ausgedehnten Sandstrände der Düne bevölkern, aus nächster Nähe zu beobachten. Safari-Fans sollten während ihres Besuches mindestens 30 Meter Abstand halten und sich in der Nähe von Robben-Gruppierungen im oberen Strandabschnitt aufhalten. Robben-Wissen aus erster Hand wird während einer Führung, die durch den Verein Jordsand e.V. oder auch dem Helgoländer Tourismus-Service angeboten werden, weitergegeben.
Der Vorfahre aller Hunderassen: Der Wolf in der Lausitz
Nach 150 Jahren ist der Wolf zurück in Deutschlands freier Wildbahn, denn seit 2000 ist er in der Lausitz wieder heimisch. Die Region umfasst den Süden Brandenburgs, den Osten Sachsens und das angrenzende polnische Gebiet. Die ersten Welpen in der Wildnis wurden hier geboren und durften bleiben, denn seit dem Ende der DDR stehen Wölfe in Ostdeutschland unter Artenschutz. Mittlerweile leben hier wieder mehrere Rudel, bestehend aus schätzungsweise 300 Tieren. Die 30 bis 50 Kilogramm schweren Wölfe können über einen Meter lang werden und erreichen eine Schulterhöhe von 60 bis 90 Zentimeter.
Rund drei Kilogramm verputzen die Fleischfresser am Tag, bevorzugt Rothirsche oder Rehe sowie Kaninchen, Vögel oder Mäuse. Allerdings kann er auch den Nutz- und Weidetieren nicht widerstehen, weshalb seine Rückkehr den Landwirtinnen und Landwirten ein Dorn im Auge ist. Elektrozäune und Herdenschutzhunde kommen vielerorts zum Einsatz, um Schafe, Kühe oder Pferde zu schützen.
Wer sich auf die Wolfsspuren begeben will, kann sich auf die thematische Radtour „Dem Wolf auf der Fährte“ von Weißwasser in der Oberlausitz nach Rietschen im Osten von Sachsen begeben. Die 47 Kilometer lange Strecke führt an Kieferwäldern, Binnendünen oder Fließgewässern vorbei und befindet sich im Streifgebiet der Lausitzer Wölfe – andere geschützte Tiere wie Fischotter, Seeadler oder Kraniche sind hier ebenfalls beheimatet. Am Ziel in Rietschen lädt eine Ausstellung zum Leben der Wölfe in der Wolfsscheune zu einem Besuch ein. Interessierte erhalten im Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz, das hier ebenfalls seinen Standort hat, weitere Informationen. Wer eine geführte Tour bevorzugt, streift mit erfahrenen Biologinnen und Biologen durch das Wolfsgebiet.
Wildkatze mit Pinselohren: Der Luchs im Harz
Der Luchs ist nach Bär und Wolf das drittgrößte Landraubtier Europas. Bekannt ist die große Katzenart durch ihre charakteristischen Merkmale: Das geflecktes Fell, der Stummelschwanz und die Pinselohren. Wurde der letzte freilebende Luchs vor gut 200 Jahren im Harz erschossen, gibt es seit dem Jahr 2000 mit dem Luchsprojekt Harz ein Wiederansiedlungskonzept. Bis 2006 wurden insgesamt 24 Tiere, die aus Nachzuchten aus europäischen Wildparks stammen, in die Freiheit entlassen. Bereits 2002 gab es ersten Katzennachwuchs. Um die 90 Tiere sollen nun mittlerweile wieder im Harzer Mittelgebirge zwischen Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen heimisch sein.
Die bevorzugte Nahrung der gut 20 Kilogramm schweren Raubkatze, die eine Schulterhöhe zwischen 50 und 70 Zentimeter erreicht, sind neben Rehen auch Hasen, auch Füchse oder Vögel. Da die scheuen Einzelgänger selten in freier Wildbahn zu beobachten sind, gibt es im Nationalpark Harz zwei großzügig eingezäunte Gelände, die von insgesamt fünf Luchsen bewohnt werden. So können Safari-Fans im Luchs-Schaugehege an der Rabenklippe, in der Nähe von Bad Harzburg, die Raubkatzen vor die Linse bekommen. Erreicht wird das Gehege über die rund vier Kilometer langen, ausgewiesene Wanderwege ab Bad Harzburg. Gemütliche Wanderer nehmen die Burgberg-Seilbahn, die auf den Burgberg fährt – von hier ist es rund eine Stunde zum Gehege. Naturfreunde, die nicht gut zu Fuß sind, nehmen von April bis Anfang November die Buslinie „Grüner Harzer“, die zwischen Bad Harzburg und der Rabenklippe verkehrt. Von der Aussichtsplattform hat man einen guten Blick über das Gehege – das erhöht die Chance auf einen gelungenen Schnappschuss.
Zurück in freier Wildbahn: Der Wisent im Rothaargebirge
Wer heutzutage durch die Wittgensteiner Wälder wandert, die zwischen dem Rothaarkamm, dem Siegerland und dem Hochsauerland liegen, kann freilebenden Wisenten begegnen. Die Verwandten der amerikanischen Bisons waren vor hundert Jahren ausgestorben, das letzte Tier wurde 1921 geschossen. Mittlerweile leben wieder über 20 Tiere der Europäischen Rinderart in freier Wildbahn, ausgewildert wurde die damals acht-köpfige Herde vom Verein Wisent-Welt-Wittgenstein e.V. im Jahr 2013. So ist es wieder möglich, in Bad Berleburg Europas größtem Landsäugetier zu begegnen.
Diesen Status erhalten sie durch ihre gewaltigen Ausmaße: Eine Länge von bis zu drei Meter, einer maximalen Schulterhöhe von bis zu knapp zwei Meter und einem Gewicht von 300 bis 500 Kilogramm bei Kühen und 500 bis 900 Kilogramm bei Bullen, die bei großen Exemplaren auch bis zu einer Tonne, also 1.000 Kilo, erreichen können. Pro Tag benötigen die stattlichen Tiere 30 bis 60 Kilogramm Nahrung – da sie Pflanzenfresser sind, besteht diese aus Gräsern, Laub, Wurzeln oder Baumrinde. Wanderlustige sollten bei einer Begegnung mit den wildlebenden Wisenten mindestens 50 Meter Abstand halten, sich nicht aktiv nähern und Fütterungsversuche unterlassen.
Neben der wilden Herde, die durch die Wälder streift, hat der Wisent-Welt-Wittgenstein-Verein ein naturbelassenes 20 Hektar großes Areal eingerichtet, das eine zweite Herde beheimatet. Auf dem gut drei Kilometer langen Naturpfad kann der König des Waldes aus nächster Nähe bestaunt werden. Zudem bietet der Verein das ganze Jahr über Führungen an.
Wieder heimisch in Deutschland: Der Elch in Ost-Brandenburg
Die Elche sind zurück in Deutschland. Insbesondere in Brandenburgs Osten fühlen sich die imposanten Tiere, die eine Schulterhöhe von über zwei Meter erreichen können, pudelwohl. Die Landkreise Uckermark, Barnim oder Märkisch-Oderland sind für die größte Hirschart besonders interessant, da diese an der Grenze zu Polen liegen – hier werden die Elche nicht mehr bejagt und ihre Population steigt stetig.
Mittlerweile leben im Nachbarland geschätzte 30.000 Tiere. Die spärliche Besiedlung Brandenburgs und die weiten Moor- und Bruchwälder bieten ideale Rahmenbedingungen. Mehrere „Elcheinstandsgebiet“-Warnschilder wurden bereits in einigen brandenburgischen Gemeinden aufgestellt. Die Pflanzenfresser erreichen ein Gewicht von bis zu 800 Kilogramm und mit ihren langen Beinen erreichen sie Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 60 Kilometer pro Stunde.
Nicht lange hat es gedauert, bis die erste skurrile Elchgeschichte der Region die Runde machte: Ein Elch, der auf den Namen Bert getauft wurde, hat sich seit 2018 immer mal wieder Rinderherden angeschlossen und Zeit mit ihnen verbracht. Durch einen angebrachten GPS-Sender können Forscherinnen und Forscher nun seine Wanderrouten verfolgen. Mittlerweile hat er sich im Naturpark Nuthe-Nieplitz, südlich von Potsdam, niedergelassen. Da die Tiere in freier Wildbahn selten anzutreffen sind, lohnt sich ein Besuch im Wildpark Schorfheide, rund eine Autostunde von Berlin entfernt. Auf dem weitläufigen Gelände sind zudem drei weitere Tiere der „Big Five“, der Luchs, das Wisent und der Wolf, zu bestaunen, so dass hier die Safari beinah vollständig ist.
Wer sich auf „Schnappschuss-Jagd“ in Deutschland begeben möchte, findet bei www.kurz-mal-weg.de passende Hotelangebote ganz in der Nähe der „German Big Five“.