
09. Oktober 2025
Estland: In den Sandhöhlen von Piusa - Wo die Fledermäuse überwintern
Von Glasherstellung zur Fledermausheimstatt reicht die Geschichte der Sandsteingänge unter Piusa. Die Wälder darüber sind auch historisch interessant.
Wer sich schon immer gefragt hat, wo das Glas für Geschirr, Deko und Co. in Europa herkam, findet in Piusa eine Antwort. Unter dem Kiefernwald wurde von 1922 bis 1966 per Hand Sand abgebaut, der quarzreich und deshalb gut für die Glasherstellung geeignet ist. Er wurde verpackt und mit Pferden zur nahen Bahnlinie transportiert, später wurde eine Schmalspurbahn bis in die Höhlen gebaut. Übrig geblieben ist ein Netz von 20 Kilometern unterirdischer Gänge, die heute ein Winterquartier für Fledermäuse sind. Bis zu 4500 Tiere wurden gezählt.
2010 wurde ein Besucherzentrum in Piusa eröffnet. Darin gibt es ein kleines Museum zum Bau der Höhlen, zur Nutzung für die Glasindustrie und zur heutigen Bedeutung für die Fledermäuse. Viele der ausgestellten Glaswaren werden einem bekannt vorkommen. Virtuell kann man die scheinbar endlosen Gänge erkunden und künstliche Fledermäuse beobachten.
Das Museum und die Höhlen können nur im Rahmen einer Tour besucht werden, für die man etwa eine dreiviertel Stunde einplanen sollte. Die Touren werden auf Estnisch, Russisch und Englisch angeboten. Wer sichergehen will, dass Englisch gesprochen wird, sollte vorher anfragen (siehe Infos). Aber auch ohne Sprachverständnis lohnt sich der Besuch. Dabei wird auch eine 13-minütige Dokumentation im kleinen Kino des Besucherzentrums über die Geschichte der Anlage und die Fledermäuse gezeigt.
Anders als bei den Sandhöhlen von Riezupe in Lettland kann man in Piusa nicht weit hineingehen. Die Tour endet auf einer sandigen Plattform am Eingang der sogenannten Museumshöhle. Man kann von dort in die Gänge hineinblicken, und wer im Spätsommer oder Herbst da ist, kann vielleicht sogar eine der ersten Fledermäuse entdecken. Für alle Herr-der-Ringe-Fans: Die langen Tunnel und Stützpfeiler erinnern ein bisschen an eine winzige Version der Halle in den Minen von Moria.
Ein paar weitere Einblicke erhält man entlang des Rundwegs, der hinter dem Besucherzentrum beginnt und am Parkplatz endet. Er ist etwa 1,5 Kilometer lang, ausgeschildert und führt zunächst an weiteren Höhleneingängen oder durch Einsturz entstandenen Senken vorbei. Aus Sicherheitsgründen ist es verboten, diese zu betreten. Entlang des Lehrpfades geht es aber nicht nur um den Sand, sondern auch um das inzwischen entstandene Schutzgebiet, den typischen estnischen Wald mit seinen vielen Beeren und dicken Moosschichten und die Tiere, die darin leben. Etwa nach der Hälfte der Strecke erreicht man den Rand einer großen Lichtung, wo der Sand offen zutage tritt. In der Senke davor wurden Teiche angelegt, die eine seltene Spezies beherbergen: Kammmolche. Beim Weiterweg durch den Wald wird man außerdem noch auf künstliche Gräben treffen. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg als Schützengräben angelegt. Es sind keine Bauwerke erhalten geblieben, aber sie hinterlassen dennoch einen tiefen Eindruck.
Informationen:
- LAGE: im Südosten, rund fünf Kilometer von der russischen Grenze entfernt, 35 Kilometer östlich von Võru
- Besucherzentrum an der Straße 212 in Piusa 64122, GPS: 57.840898, 27.466191
- WEBSITES:
- Besucherzentrum: piusa.ee
- Information über die Region der Seten, auch bei Piusa: visitsetomaa.ee/en
- HINWEISE:
- Workshops (Fledermaus, Sandflasche oder Sandkarte basteln) nach Anmeldung unter Telefon +372 53044120 oder E-Mail an
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. - Im Besucherzentrum gibt es auch ein Café, das warme Mahlzeiten und Kuchen serviert. Ein weiterer Imbiss und eine Keramik-Werkstatt liegen in der Nähe, einen Ort Piusa darf man nicht erwarten.
- UNTERKÜNFTE:
- Ferienhaus Hundi Talu: fünf Kilometer östlich von den Höhlen an der russischen Grenze, Blockhaus auf einem Bio-Bauernhof mit Schweinen und Schafen, mit Campingbereich; in Kolodavitsa 64005, GPS: 57.84266, 27.53737, visitestonia.com/en/hundi-tourist-farm
- RMK-Zeltplatz: auf der anderen Seite der Bahnlinie, für maximal vier Zelte, mit Trockentoilette und Feuerstelle; auf der Straße nach Vastseliina unter der Brücke durch und nach links, noch 200 Meter geradeaus (Schild „Lõkkekoht“), GPS: 57.85150, 27.64524
Beitragsbild: Mit einer Führung geht es in die Museumshöhle von Piusa. Foto von Christoph Schaarschmidt
Buchtipp: Baltikum - Litauen · Lettland · Estland - 60 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade
Man traut sich kaum, es zu schreiben: Dass es im Herzen Europas, an der Ostsee, drei Länder gibt, die noch nicht überlaufen sind. Wo man mit dem Camper unter Kiefern am Meer stehen und über dem Lagerfeuer kochen kann – ganz legal, versteht sich. Wo jeder Reisende seinen eigenen Lieblingssee zum Paddeln finden kann. Wo kreativ gestaltete Museen auf Besucher und herzhafte Nationalgerichte auf Testesser warten. Wo die Wälder voller Pilze und Beeren sind und manchmal ein Bär hindurchstreift. All das und noch viel mehr kann man in Litauen, Lettland und Estland entdecken. Neben kilometerlanger Ostseeküste und den drei sehenswerten Metropolen Vilnius, Riga und Tallin sind auch die Nationalparks, die Moorgebiete und Seenlandschaften eine Reise wert. Dieses Buch vereint 60 handverlesene Tipps von zwei Baltikumfans: die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sowie herrliche Landschaften, idyllische Wanderwege, interessante Orte und spezielle Ausstellungen abseits der klassischen Routen. Alles ausgewählt nach dem Motto: „Da müssen wir nochmal hin!“
Über die Autoren: Mehr als drei Jahre waren Autorin Laura Kaiser und Fotograf Christoph Schaarschmidt auf Weltreise. Dabei haben sie oft die Touristenpfade verlassen und dort ein kleines Paradies entdeckt. Seitdem wollen sie andere Reisende davon begeistern, mehr als die bekanntesten Sehenswürdigkeiten zu besuchen – auch mit ihren „50 Highlights abseits der ausgetretenen Pfade“ in den kanadischen Rocky Mountains. Nun leben sie in Chemnitz und sind jedes Jahr zu ausgedehnten Streifzügen unterwegs, wiederholt auch im Baltikum. Ihre Texte und Fotos erscheinen in Zeitungen und Magazinen, im Internet sind sie unter „Bildbeilage“ zu finden.
- Taschenbuch: 296 Seiten, 287 Fotos, 8 Karten
- Format: 16,5 x 11,5 cm
- Verlag: 360° medien; 1. Auflage (15.12.2022)
- Preis: 16,95 €
- ISBN: 978-3-96855-308-5
Bestellungen im Buchhandel und im 360° medien-Onlineshop (innerhalb Deutschlands versandkostenfrei): 360grad-medienshop.de/Baltikum





