30. April 2021
Italien: Trepalle, das höchste Dorf Europas
Dem Himmel so nah! In der Nähe des Zollfrei-Paradieses Livigno versteckt sich das historisch wie kulturell spannende Trepalle (auf deutsch: „Drei Eier“) auf 2.126 Meter über den Dingen. In dem Bergdorf betreibt die höchstgelegene Pfarrei Europas eine Tankstelle. Und der Dorfpfarrer war einst Rechtsanwalt. Und nebenbei Chef einer Schmugglerbande.
Livigno war einst wegen seiner gottverlassenen Lage hoch in den lombardischen Alpen – zwischen den Eisriesen von Ortler und Bernina – bettelarm. Heute kommen auf 6700 Einwohner doppelt so viele Gästebetten. Und das Bergdorf auf über 1.800 Meter Seehöhe ist Zollfrei-Paradies mit über 250 Shops alleine in der Fußgängerzone. Zwei hochmoderne Liftanlagen locken im Sommer Mountainbiker und Wanderer, im Winter Skifahrer und Snowboarder nach „Little Tibet“. Wer von Bormio über den Eira-Pass nach Livigno fährt, kommt in Trepalle vorbei. Das liegt nochmals 300 Meter höher als Livigno. An der Tankstelle im Bergdorf kostet der Liter Diesel um die 80 Cent. Trepalle erzählt seine eigene, skurrile Geschichte. Eine Geschichte von Armut, Gottesfurcht sowie Import & Export.
Ein Gottesmann mit sehr irdischen Einstellungen
Alessandro Parenti war ein Mann mit vielen Talenten. Von 1939 bis 1980 war „Don Sandro“ Dorfpfarrer von Trepalle. Hier oben, in der höchstgelegenen Pfarrei Europas, war das Leben eines der härtesten. Auf über 2.000 Metern Seehöhe musste man kreativ sein, um zu überleben. Also gingen die jungen Männer nachts zum Schmuggeln hinüber nach Bormio und ins Engadin. Wurden sie erwischt, verteidigte sie der streitbare Pfarrer, der eine juristische Ausbildung hatte. Sein Argument: Die Grenzen seien menschengemacht, nicht von Gott gegeben – somit könne er als Pfarrer das Schmuggeln nicht verurteilen. Außerdem müssten die Dorfbewohner schmuggeln, weil sie so arm seien.
Wo selbst der liebe Gott nicht helfen konnte, half Don Sandro selbst: Kurz nach seiner Ankunft ließ der Gottesmann direkt an der Passstraße eine Zapfsäule installieren. Mit dem Spritverkauf finanzierte er Wasser und Licht für Trepalle. Die Kinder unterrichtete er selbst. Und nach Schulschluss und der Abendmesse machte er sich auf den einsamen Weg. Nicht in die Kneipe, sondern zum Schmuggeln …
Eine einsame Talwanderung zur Bocheta de Valècia
Wenn der Talort schon auf über 2.000 Metern Seehöhe liegt, kommt man dem Himmel unweigerlich ganz nahe. Wie bei der einsamen Wandertour ins Valècia. Los geht’s entweder direkt in Trepalle oder besser: am Parkplatz an der Pont de Rèz (2.040 m). Ab hier geht’s in etwa zwei Stunden einfacher Wanderung immer weiter hinein in den idyllischen Talschluss, bis man schließlich an der Passhöhe, der Bocheta de Valècia (2.620m) steht. Unterwegs kommt man an der Chesèira de Valècia vorbei. Nach der Rastan der Passhöhe geht’s auf bekanntem Weg in gut einer Stunde wieder zurück gen Trepalle.
Beitragsbild: Trepalle, das höchste Dorf Europas. Photo Credit: AptLivigno