13. Juli 2022
Sardinien: Buggerru – Als ein Bergarbeiterdorf Italien lahmlegte
Sie weigerten sich zu arbeiten, einzufahren, die Bodenschätze aus dem Gestein zu lösen: 1904 streikten die Bergmänner in Buggerru und veränderten ihr Land für immer. Anlass genug, um mit einer Grubenfahrt und einem Spaziergang auf den Spuren der Kumpels daran zu erinnern.
Es war ein Tabubruch: Eigentlich durften die Beschäftigten der Miniera di Planu Sartu im damals 9000 Einwohner zählenden Bergarbeiterdorf an der Südwestküste von Sardinien nicht streiken. 3000 Bergmänner hatten es dennoch gewagt. Am 4. September 1904 legten sie ihre Arbeit nieder. Ihr Ziel: eine einstündige Ruhepause mehr zu ihrer Entlastung. Der Streik begann am Morgen des 2. September. Am Abend des 4. September war der Aufstand mit rund zehn Verletzten und vier Toten beendet.
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Wer auf den Spuren der Kumpels von Buggerru wandeln will, kann das heute im Henry-Tunnel und auf dem aussichtsreichen Abstecher zu den Ruinen der Bergbausiedlung von Planu Sartu tun. Am Eingang zum Stollen trennen sich die Wege derer, die das 1956 geschlossene Blei- und Zinkbergwerk besichtigen möchten. Wer die Galleria Henry besucht, biegt rechts zum Tickethäuschen ab und sollte eine Taschenlampe dabei haben, den anderen, die weiter bergauf gehen, genügt ein Sonnenschutz und festes Schuhwerk.
Oberhalb von Buggeru buddelten Bergmänner 1865 in Tag- und Nachtschichten einen Stollen in das abgelegene Hochgebirge von Planu Sartu. Die ein Kilometer lange Galleria Henry mit Schienensystem diente dem Abtransport der Mineralien. Während der rund einstündigen Führung muss man keine Strapazen befürchten. Mit der Grubenbahn geht es durch den engen Tunnel bis zum Wendeplatz auf der anderen Seite des Berges. Der Rückweg erfolgt zu Fuß mit atemberaubenden Ausblicken auf die Steilküste und das Meer.
Besonders intensiv lässt sich das Panorama auch auf einem Spaziergang auf dem Sentiero D-301 erkunden. Der ausgewiesene Pfad durch das wilde Plateau von Planu Sartu führt anfangs am Eingang der Galleria Henry vorbei und hinauf zum Aussichtspunkt. Ab hier wird es deutlich ruhiger, der leichte Weg mit Blick auf die Berge des Iglesiente und das tiefblaue Meer wird von duftenden Ginsterbüschen, Zistrosen und Affodill flankiert. Nach knapp anderthalb Kilometern erreicht man schließlich die Ruinen des Bergwerksdorfes von Planu Sartu. Neben dem ehemaligen Steinbruch von Calaminari erheben sich die verlassenen Bergbauhäuser nur noch als Trümmer. Der Blick von der Hochebene auf das Meer und hinunter auf den Wendeplatz der Grubenbahn ist atemberaubend schön. Wer eine Bademöglichkeit sucht, kehrt nicht um, sondern wandert einfach rund vier Kilometer weiter. Auf einem steilen Abstieg, der erst zur Küste hin wieder besser zu gehen ist, erreicht man nach rund zwei Stunden die Buchten Cala Lunga und Cala Domestica. Für den Rückweg nimmt man den gleichen Weg.
Text: Andrea Behrmann | Beitragsbilder Photo Credit: Paolo Succu
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Über das Buch
Auf der Landkarte sieht Sardinien aus wie eine Sandale, die eine Kinderhand vor die mittelitalienische Küste in das Tyrrhenische Meer gemalt hat. Weltweit bekannt wurde die zweitgrößte Insel Italiens durch die von Prinz Karim Aga Khan IV. erschlossene Costa Smeralda, die seit jeher Prominente und Stars anzieht. Doch Sardinien ist viel mehr als Nobelorte und Superjachten. Die Insel mit nur 1,6 Millionen Einwohnern lockt mit feinen Sandstränden, meterhohen Steilküsten, riesigen Lagunen, hübschen Bergdörfern und einer atemberaubenden Natur. Da vor allem im Sommer viele bekannte Ziele überlaufen sind, bietet dieses Buch 50 Vorschläge, die nicht gleich jedem Urlauber in den Sinn kommen. Die meisten liegen ein wenig abseits, aber manchmal auch in unmittelbarer Nähe zu den berühmten Sehenswürdigkeiten wie der Strand von Portu Sèssini, der seinem großen Bruder in der Nachbarbucht eigentlich in nichts nachsteht. Und wenn dort am Abend die Sonne am Horizont untergeht, weiß man, dass man auf einer der schönsten Inseln Italiens zu Besuch ist.
Über die Autoren: Andrea Behrmann studierte Italianistik auf Sardinien. Sie lebt als freie Journalistin, Bloggerin und Hochzeitsplanerin mit ihrem Mann Paolo Succu in der Inselhauptstadt Cagliari. Sie schreibt Reiseführer, Artikel und Reportagen, sie recherchiert, organisiert und textet. Bei ihren Streifzügen durch die Insel ist sie gerne abseits der Pfade unterwegs; www.sardinienreporter.de. Paolo Succu, 1961 in Cagliari geboren, arbeitet als freier Fotograf und hat sich mit mehr als zehn erfolgreichen Bildbänden einen Namen gemacht. Für seine Arbeiten wurde er mehrmals ausgezeichnet, unter anderem mit dem „Premio Nuraghe d'Oro“; www.paolosuccu.com
- Taschenbuch: 256 Seiten, 236 Bilder, 8 Karten
- Verlag: 360° medien; 1. Auflage: (November 2021)
- Format: 16,5 cm x 11,5 cm
- ISBN: 978-3-96855-277-4