Manitoulin Island: Trommeltänze auf Gottes Urlaubsinsel

06. August 2021

Manitoulin Island: Trommeltänze auf Gottes Urlaubsinsel

Manitoulin Island im Südwesten Ontarios ist die größte Süßwasserinsel der Welt – mitten im Lake Huron. Die Menschen der First-Nations-Ureinwohner glauben, dass Gott sich dieses Naturparadies ganz zum Schluss schuf, quasi als persönliches Erholungsressort. Die Menschen hier bewahren sich ihre Stammesrituale und lassen Besucher jederzeit daran teilhaben, vor allem zum jährlichen Höhepunkt, dem faszinierenden Pow Wow-Spektakel.

Wie – fotografieren verboten? Schade! Aber die Geste des MCs, des Masters of Ceremony, ist eindeutig. Denn jetzt beginnt der „Grand Entry“ des Pow Wow, also die Stammes-Prozession in den arbour, die zentrale Zone, in der sich Trommler und Sänger versammeln. Dazu pulsiert ein vibrierender Viervierteltakt, mit Uhrwerkpräzision auf die Felle gehauen. Dazu ertönen von Zeit zu Zeit spitz ausgestoßene Schreie. Voran schreitet der Träger des „Eagle Staff“, einer Art geschnitzten Standarte, geschmückt mit Adlerfedern, gefolgt von kanadischer Nationalflagge, einer Veteranen-Flagge, der kanadischen, englischen und amerikanischen Fahne – als Symbole für alle Kriege, in denen hier ansässige Stämme verwickelt waren. „First Nations“ nennen sich die Ureinwohner Nordamerikas seit geraumer Zeit, sie wollen so den kolonialen Namen „Indianer“ abzuschütteln. Den Pow Wow-Vortänzern folgen nun männliche, kriegerisch auftretenden Tänzer, die mit manchem Ausfallschritt so tun, als griffen sie ihr Publikum an. Zum Schluss kommen Frauen und Kinder. Gemeinsam singen sie einen flag song.

Das hier ist kein folkloristischer Umzug, sondern ein rituelles Fest von acht Stämmen, die sich alle als Anishnabe bezeichnen. Sie legen Wert darauf, keine Tracht zu tragen, sondern ein Ornat, das niemand berühren darf. Mehr als 60 solcher Pow Wows gibt es zwischen Ende Mai und Ende September jährlich in Ontario. Der bis zu drei Tage dauernde Pow Wow auf Manitoulin Island findet meist Anfang September statt und ist wohl der bekannteste. Vielleicht, weil Manitous Insel so eine besondere Bedeutung hat für die etwa 5000 hier lebenden First Nations People. Denn ihrer Überzeugung nach hob sich der große Gott Manitou bei seiner Weltenerschaffung dieses Stück Land bis zum Schluss auf: Für die mit 1600 Kilometern Küstenlinie größte Süßwasserinsel hatte er der Legende zufolge das klarste Wasser, die reinste Luft sowie die nahrhaftesten Pflanzen und die kräftigsten Tiere reserviert, „weil er diese Insel quasi als Erholungsressort für sich selbst aussuchte, in dem er nach getaner Arbeit chillen wollte, wie man heute sagen würde“, erklärt Kevin Eshkawkogan. „Sprecher des Volkes“ heißt er mit First-Nations-Namen. Denn er ist der Chef von Great spirit Circle Trail, einer Tourismusorganisation, die Besuchern die Geschichte und Kultur von Ontarios First Nations vermittelt.

Mit dem Kanu vor Manitoulin Island. Photo Credit: Destination Ontario OTMPC
Mit dem Kanu vor Manitoulin Island. Photo Credit: Destination Ontario OTMPC

Auch wer nicht zum Pow Wow-Termin nach Manitoulin Island kommt, kann die Kultur der First Nations erleben, die immer noch in acht Reservaten auf Manitoulin Island leben. Aber nicht so abgeschottet wie die Ureinwohner der USA vielerorts, sondern in offenen Gemeinschaften – längst ohne Tipis, sondern in Häusern mit Gärten voller Spielsachen und SUVs in den Auffahrten. Steven Okeda, ein Mitglied des Stammes der Ojibwe, empfängt seine Gäste in der Healing Lodge, einer Art Kulturzentrum in M‘Chigeeng. Als Red Sky – die Morgenröte – stellt er sich vor und beginnt die Reise in seine Welt mit dem Anzünden von Salbei, Tabak, Zeder und Süßgras in einer Perlmuschel. Die Rauchschwaden fängt Steven mit seinen Handfläche auf, streicht diese über Haare, Augen, Mund und zuletzt seine Fußsohlen. Für ihn sei dieses sogenannte „Smudging Ritual“ wie die morgendliche Wäsche, erklärt er, denn so reinige er sich von den dunklen Mächten der Nacht.

Mehr dazu und 39 weitere Highlights abseits der ausgetretenen Pfade lest Ihr in dem Buch Ontario - 40 Highlights abseits der ausgetretenen Pfade unseres Autors Stephan Brünjes: https://360grad-medienshop.de/Kanada-Ontario

Über das Buch

Ja, Ontario ist „Ahorn für Anfänger“, hierher reisen Kanada-Ersttäter – wegen der angenehm kurzen Flugverbindungen und Sightseeing-Ikonen wie den Niagara Falls. Ontario macht süchtig. Wer einmal hier war, wird rückfällig, will wieder auf endlose Highways, gesäumt von grünen Baumtapeten und messing-braunen Granitfelsen. Ontario-Wiederholungstäter wollen an die unzähligen stahlblauen Seen inmitten von Nationalparks, also zu den Namensgebern dieser wohl vielfältigsten kanadischen Provinz: Ontario ist indianisch, bedeutet „schönes Wasser“, und das liegt nicht selten off the beaten track.

Abseits dieser ausgetretenen Pfade führt der Autor seine Leser mit diesem Buch zu 40 gut erreichbaren Zielen. Ein bunter Mix aus Natur und Städte-Attraktionen, spannenden Menschen, die es zu treffen lohnt, sowie Themenrouten, Shopping-Tipps und kuriosen sowie historischen Zielen, die einen Stopp wert sind – von Justin Biebers erster Open-Air-Bühne und Onkel Toms Hütte bis zu Ontarios schönstem Wanderpfad und Torontos singendem Straßenbahnfahrer.

Über den Autor: Stephan Brünjes, geboren 1961, arbeitet als Reisejournalist und Fotograf – am liebsten in Kanada. Seit zehn Jahren zieht es ihn nach Ontario, um atemberaubende Seen-Landschaften, faszinierende Tiere und explodierende Indian Summer-Farben zu erleben sowie optimistische, zupackende und naturverbundene Kanadier zu treffen. Die pulsierende Metropole Toronto ist oft Start und Ziel seiner Reisen – weil es hier verrückte Dinge auszuprobieren gibt – wie den kanadischen Funsport Axtwerfen etwa. Dann geht es kreuz und quer durch Ontario – auf der Suche nach Zielen, Menschen und Routen abseits ausgetretener Pfade.

Bibliografische Angaben:  208 Seiten, 360° medien, 2019, Format: 16,5 cm x 11,5 cm, ISBN: 978-3-948097-27-1

Text: Stephan Brünjes. Beitragsbild: Tipi auf Manitoulin Island. Photo Credit: Destination Ontario OTMPC